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Virenschutz für Verträge? - Coronavirus / Covid-19 / SARS-CoV-2 & Vertragsrecht

Was ist nun das Coronavirus rechtlich gesehen? - Rechtsfragen zum Coronavirus / Covid-19 / SARS-CoV-2

Viele fragen sich derzeit, ob und inwieweit Verträge überhaupt noch gültig sind angesichts der derzeitigen gravierenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Wir klären auf.

Die momentane Situation ist Neuland in vielen Bereichen, nicht nur im medizinischen. Auch für das Rechtssystem schafft das Coronavirus (COVID-19) einige Herausforderungen. Sind Verträge weiterhin gültig? Können Leistungen überhaupt erbracht werden? Können Verträge aufgelöst und Bestellungen storniert werden? Entstehen gar Schadenersatzforderungen?

Diese Fragen lassen sich auf Basis der geltenden Gesetze und einschlägiger Urteile zumindest teilweise beantworten, so dass wir die herrschende Unsicherheit deutlich reduzieren können.

Unter welchen Voraussetzungen können Verträge aufgehoben werden? - Vertragsrecht, Rücktritt vom Vetrag, Storno

Eine der Möglichkeiten, einen Vertrag aufzulösen, ist das Vorhandensein von Höherer Gewalt. Höhere Gewalt ist definiert als Ereignis, das

  • von außen kommt
  • unabwendbar und
  • unvorhersehbar ist.

Ein typisches Beispiel, das manchen vielleicht noch in Erinnerung ist, war der Ausbruch des Vulkan Eyjafjallajökull im Jahr 2010, aufgrund dessen viele Flüge nicht stattfinden konnten. Dieser Vulkanausbruch war eindeutig ein „äußeres“ Ereignis, das offensichtlich niemand abwenden oder vorhersehen konnte.

Kann man nun das Coronavirus (COVID-19) ebenfalls unter Höhere Gewalt einordnen? Schließlich könnte man ja auch argumentieren, dass ein Beinbruch beim Skifahren ja auch nicht von der Verpflichtung befreit, ein gebuchtes Hotelzimmer zu bezahlen.

Zum Glück (auch wenn das Wort „Glück“ hier etwas fehl am Platz scheint) gab es in der Vergangenheit einen ähnlichen Fall. Damals war es eine Infektionskrankheit namens SARS, ebenfalls ein Virus aus der Corona-Familie, die zu gerichtlichen Auseinandersetzung führte, in denen auch die Frage nach Höherer Gewalt eine Rolle spielte. Damals entschied der Oberste Gerichtshof im Verfahren OGH 4 Ob 103/05h, dass SARS als Fall von Höherer Gewalt einzustufen sei.

Man kann daher davon ausgehen, dass auch die Corona-Krise als Fall Höherer Gewalt eingestuft werden wird, insbesondere da die Weltgesundheitsorganisation WHO die Infektionswelle als Pandemie eingestuft hat, während SARS damals „nur“ Epidemie-Status hatte.

Für die Frage, ob dieser Fall von Höherer Gewalt nun die Erbringung einer Leistung verhindert hat, kommt es natürlich auf die Art der Leistung an. Bei Hotelreservierungen, Konzertkarten oder Friseurbesuchen ist es offensichtlich, dass die Leistung nicht erbracht werden kann, weil die Hotels, Konzertsäle und Friseure alle geschlossen sind.

Anders sieht es aber bei Leistungen aus, die immer noch erbracht werden können, wie z.B. das Design einer Webseite oder die Lieferung eines Buches. Hier ist die Erbringung der Leistung nach wie vor möglich und Corona hat keinen Einfluss darauf. Sowohl Käufer als auch Verkäufer der Leistung haben Anspruch auf die Erfüllung des Vertrages.

Wie sieht es aber nun aus, wenn ein Käufer vom Vertrag zurücktreten möchte? Nehmen wir an, ein Hotelbetreiber hat das Design einer neuen Webseite bestellt, ist aber aufgrund der zeitweiligen Schließung seines Hotels knapp bei Kasse und möchte den Vertrag mit dem Grafiker auflösen. Ist das möglich?

Grundsätzlich gilt, dass ein Vertragspartner den anderen sofort informieren muss, wenn er seine Verpflichtung nicht einhalten kann. Ihn trifft eine sogenannte Schutz- und Sorgfaltspflicht. Diese besteht immer – auch ohne Corona-Virus.

Außerdem gilt in Österreich die Schadensminderungspflicht. Das bedeutet, dass der Geschädigte mithelfen muss, den Schaden möglichst gering zu halten. In unserem Beispiel muss der Hotelier also den Grafiker sehr schnell informieren, dass er seinen Teil des Vertrages nicht erfüllen kann. So wird vermieden, dass der Grafiker weiter Zeit investiert, obwohl der Hotelier letztlich gar nicht bezahlen kann.

Ansonsten wird der Vertrag aber von beiden Seiten zu erfüllen sein. Eine Auflösung des Vertrages (Storno) kann dann nur einvernehmlich erfolgen.

Wenn die Leistung durch die Corona-Pandemie verhindert wird - Coronavirus & Vertragsrecht, Rücktrittsrecht

In den Fällen, in denen Höhere Gewalt die Erbringung der Leistung verhindert, muss geprüft werden, welche Konsequenzen sich daraus für den Vertrag ergeben.

Manche Verträge beinhalten bereits eine Klausel, in der die Folgen von Höherer Gewalt geregelt sind. Wenn dies der Fall ist, sollte sich ein Rechtsanwalt diese Klausel genau ansehen. Bei Verträgen zwischen Konsumenten und Unternehmern ist dabei auch zu prüfen, ob die Klausel den Konsumenten nicht ungebührlich benachteiligt und somit unwirksam ist.

In einer Klausel betreffend Höhere Gewalt kann dann geregelt sein, welche Rechte auf Rücktritt, Storno oder auch Schadenersatz bestehen.

Enthält der Vertrag keine Regelung zur Höheren Gewalt, dann stellt sich die Frage nach dem anwendbaren Recht, das sich aus den bestehenden Gesetzen und der Rechtsprechung ergibt.

Insbesondere gibt es hier die Regelung der „zufälligen nachträglichen Unmöglichkeit“ einer Leistung. Diese liegt vor, wenn die Leistung zwar zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses möglich war, aber diese Leistung später doch nicht erbracht werden kann, ohne dass diese Unmöglichkeit durch einen der Vertragspartner zu verantworten ist. Typisches Beispiel hier ist ein Konzert, das aufgrund des behördlichen Verbotes nicht durchgeführt werden darf. Hier liegt eine nachträgliche Unmöglichkeit vor, für die keiner der Vertragspartner etwas kann.

Die Folge dieser „zufälligen nachträglichen Unmöglichkeit“ ist, dass der Vertrag automatisch aufgelöst wird. Bereits bezahltes Entgelt (z.B. für Konzertkarten) ist zurückzubezahlen. Darüberhinausgehende Ansprüche (z.B. Stornogebühren für eine Hotelbuchung, die wegen des Konzerts gemacht wurde) bestehen allerdings nicht.

Ein letzter rechtlicher Ansatz, um Verträge aufzulösen, ist der Wegfall der Geschäftsgrundlage. Dieser Ansatz kommt zur Anwendung, wenn sonst keine vertraglichen oder gesetzlichen Regeln greifen (Auffangtatbestand). Unter Wegfall der Geschäftsgrundlage versteht man eine Situation, in der die typischen Voraussetzungen für ein Geschäft einfach nicht mehr gegeben sind. In diesem Fall kann der Vertragspartner wählen, ob er den Vertrag anpassen oder anfechten möchte.

Ein typisches Beispiel aus der Praxis ist der Ausbruch eines Krieges oder eine Naturkatastrophe in einem bis dahin sicheren Reiseland, weshalb gebuchte Urlaubsreisen dorthin nicht stattfinden können. Die Corona-Pandemie kann wohl als ähnlich gravierendes Ereignis gesehen werden, wobei es dazu aber noch keine einschlägigen Entscheidungen gibt.

In allen Zweifelsfällen, insbesondere bei Disputen zwischen den Vertragspartnern, empfiehlt es sich jedenfalls, einen erfahrenen Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen. Er kann vorhandene Verträge überprüfen und das zur Anwendung kommende Recht ermitteln, so dass Sie Klarheit über Ihre rechtliche Situation haben.